Infiziert von der Theorie des Machbaren ...
1996 nahm ich an der 3. Passivhaustagung in Kassel teil und bekam drei Tage lang Revolutionäres zu hören.
Man kann ein Haus bauen, das keine Heizung mehr benötigt - und das in unserer Klimazone.
Mit viel Charisma berichtete Prof. Dr. Feist und seine Mitarbeiter vom Passivhausinstitut (PHI) in Darmstadt von diesem Energiewunder, das 1990 erstmals in Darmstadt gebaut und nach mehrjährigen Messungen und Untersuchungen als voll funktionsfähig beschrieben wurde.
Zu Haus im Büro setzten wir uns zu dieser Zeit beim Planen gerade mit der neu erschienen Wärmeschutzverordnung von 1995 auseinander und waren damit beschäftigt, die Mechanismen und Wirkungsweisen der zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergründen, um diesem Standard gerecht zu werden. Und dann das: ein Haus ohne Heizung?
Ich war bei aller Skepsis von den aufgezeigten Möglichkeiten fasziniert und kam vom Passivhausvirus infiziert zurück. Ein Pfad in die Zukunft des Bauens war skizziert, die künftigen Anforderungen an die Bauschaffenden waren für mich erkennbar. „Das müssen wir auch können, wir müssen ein Passivhaus bauen!“ bekamen die Mitarbeiter zu hören. Wir haben es getan.
Gegen Ende der 90er Jahre stand als Ergebnis dieser sehr aufwändigen Untersuchungen des PHI eine Projektierungssoftware zur Verfügung, die es ermöglichte, ohne Großrechner und tagelanger Gebäudesimulationen die physikalischen Voraussetzungen für den Bau eines Passivhauses zu bestimmen und analog neue Gebäude in diesem Energiestandard zu berechnen. Weitere Jahre dauerte es, bis die qualitativ erforderlichen Bauteile wie z. B. Fenster, Dämmmaterialien und Haustechnik, industriell gefertigt werden konnten und auf dem Markt verfügbar waren.
Das erste massive Passivhaus in Landau wurde von uns gebaut und 2001 bezogen. Eine spannende, aber auch arbeitsintensive Zeit wurde erfolgreich abgeschlossen. Über unzählige Besuche, Besichtigungen, Meetings mit Herstellern und Handwerkern wurde ein Haus an der Grenze des energetisch Machbaren entwickelt und umgesetzt.
Von vielen Menschen, auch aus unserer Branche, wurden wir damals belächelt. Aus heutiger Sicht kann ich diese Zeit nicht hoch genug bewerten. Das physikalische Grundverständnis für das energetische Bauen von heute stammt aus dieser Zeit und lässt uns noch heute technologisch der Brache einige Schritte vorauseilen.
Inzwischen hat sich das energetische Bauen rasant entwickelt. Die Energieeinsparverordnung (ENEV) von 2002 löste die Wärmeschutzverordnung von 1995 ab und wurde 2004, 2007 und 2009 novelliert, die ENEV 2012 steht vor der Tür. Die Anforderungen an den Wärmeschutz wurden um jeweils ca. 30% verschärft. Trotzdem sind wir heute vom Passivhaus noch um den Faktor 4 entfernt.
Wir diskutieren also nicht mehr - wie um die Jahrtausendende - um Sinn und Zweck des energetischen Bauens, wir streiten um das „Wieviel“ und das „Ende der Fahnenstange“. Wo wird die energetische Reise aus heutiger Sicht final enden? Viel sehen diese Ende im Passivhausstandard.